Weitere Gedanken von Andrea Schwarz
Weitere Gedanken von Andrea Schwarz
aus. Andrea Schwarz, Ich mag Gänseblümchen, Verlag Herder, Freiburg, 21. Gesamtauflage 2001, mit Genehmigung des Verlages
Ab und zu
leb ich mal
sehr intensiv
Dann liegen
Weinen und Lachen
Schmerz und Glück
Tod und Auferstehung
nahe beieinander
besser manchmal etwas chaotisch leben
als gar nicht
Auf die mir gestellte Frage
ob ich glücklich sei
muss ich vorerst die Antwort
schuldig bleiben
mein Leben lässt sich
mit einem „Ja“ oder „Nein“
heute
nicht einfangen
Das Grab ist leer
der Tote lebt
geht nach Galiläa
dort werdet ihr ihn sehen
geh zurück
in deinen Alltag
in dein Leben
zu deiner Familie
zu deinem Beruf
such ihn nicht
bei den Toten
such ihn da
wo Leben ist
und wenn du ihn gefunden hast
dann geh hin
und erwecke
die noch schlafenden Toten
zum Leben
Das Wort „Zufall“
will eigentlich nur sagen
dass mir etwas zu-fällt
Es trifft keine Aussage
über den
der wirft
Du bist bei mir
alle Tage
alltags
Du bist der Gott meines Alltags
dann darf ich dir
bitte schön
auch meinen Ärger
über die hohe Reparaturrechnung
die Freude über den Fischreiher
meine Einsamkeit heute Abend
und den zerrissenen Schuhbändel
übergeben
und jetzt beschwer dich nicht
so
sieht mein Alltag aus
Gott
du bist ein Gänseblümchen-Gott
du lebst
ihre Philosophie
du drängst dich nicht auf
bietest dich an
du bist da
wo Leben ist
bist unausrottbar
über Jahrtausende hinweg
blühst immer wieder
von neuem
trotz alledem
und wider alle Resignation
Zärtlich
stehst du den Menschen im Weg
sie stolpern über dich
müssen sich bücken
um dich zu finden
du, der mächtige große Gott
macht sich gänseblümchenklein
Geborgenheit
das ist zu wissen
wo man hingehört
nur
das sind Menschen
und nicht einfach
eine Dreizimmerwohnung
Hand an meine Grenzen legen
sie noch ein wenig weiter
wegschieben können
ahnen
wozu ich eigentlich
in der Lage wäre
Heute
war so ein Tag
da hätte ich jeden
umarmen können
zum Glück
gab’s wenigstens ein paar Menschen
denen ich kräftig
auf die Schulter klopfen konnte
Ich bin
auf dem Weg
ich suche
um zu finden
um doch
nie anzukommen
nie zu finden
besser
gehen
suchen
als stillzustehen
abzuwarten
ob ich gefunden werde
Ich habe
Grund zur Hoffnung
auch
wenn mir das Wasser
bis zum Halse steht
Ich habe Grund
Ich hätte
so lange
kein Lebenszeichen
von mir gegeben…
vielleicht
lebe ich
im Moment
auch nicht…
Ich stolpere
über meine
eigenen Füße
Ich steh
mir selbst im Weg
Aber ich
komm nun mal
nicht
um mich herum
In dem Baum
auf den man
von unserem Tagungsraum aus sieht
brütet eine Amsel
Wir reden uns
die Köpfe heiß
über Gott und die Welt
Ich bin mir
nicht ganz sicher
wer im Moment
die wichtigere Aufgabe
für Gott und die Welt
wahrnimmt
In der Weite
des Meeres
siehst du vielleicht
die zurückgelegte Meile nicht
aber sie ist gesegelt
In die dunkle Nacht
hinauslaufen
um an eine helle Häuserwand
den Satz zu sprühen:
Ich liebe dich!
Schreien ist ja
nach zweiundzwanzig Uhr
leider untersagt
In manchen Stunden
meines Lebens
ahne ich
was Leben
eigentlich alles
sein könnte
Und dann
weine ich
um jede Sekunde
die ich nicht gelebt habe
Jedes Leben
das den Tod durchbricht
bist du
mein Gott
du bist das Versprechen
das im Unendlichen
keine Grenzen hat
Lieber Gott
manchmal möchte ich mich
einfach
in deine große warme Hand
hineinschmiegen
aber dazu
muss ich mir erst
meiner Kleinheit bewusst werden
Manchmal
find ich mich selbst
ganz schön lächerlich
dummerweise
kann ich
in solchen Momenten
überhaupt nicht
über mich lachen
Naturköstler behaupten
Gänseblümchen ergäben
einen hervorragenden Salat
also irgendwie
einem Kohlkopf
kann ich das eher antun
Nein
ich bin nicht
hoffnungslos
ich hab nur grad
meine Luftballons
nicht zur Hand
Nimm
dein Leben
in die Hand
ungläubig
schaue ich
meine Hand an
Wenn ich Wasser brauche
um zu wachsen
werde ich dabei
notgedrungen
nass